Der Süddeutsche Realschultag, am 19.10.2023

von RLV-BW

Eine starke Wirtschaft braucht eine starke Realschule!

Gemeinsame Resolution der Realschul-Landesverbände aus Baden-Württemberg (RLV), Bayern (brlv) und Hessen (VDL) verabschiedet!

Der Süddeutsche Realschultag, am 19.10.2023 in den Räumen und mit Beteiligung der IHK in Ulm, stand ganz im Zeichen der laufenden Koalitionsverhandlungen in Bayern und Hessen. Die gemeinsam verfasste Resolution wird vom jeweiligen Landesverband in die Koalitionsverhandlungen eingebracht.

Alle drei Landesverbände plädieren für den Erhalt der Bildungsqualität im differenzierten Schulwesen und für eine Stärkung der für Industrie und Handwerk unverzichtbaren Realschulbildung in allen drei Bundesländern.

Gastredner war Professor Hartmut Esser (Professor für Soziologie und Wissenschaftstheorie an der Universität Mannheim) mit dem Vortrag: 'Falsch abgebogen? Entwicklungen, Sackgassen und Perspektiven in der Diskussion um die Leistungsdifferenzierung'.

Seine Studie über kognitive Homogenisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit - mit Daten der 'National Educational Panel Study' (NEPS) - belegte 2020 den Effekt einer strikten Differenzierung nach kognitiven Fähigkeiten auf die Leistungen in der Sekundarstufe. Ebenso belegt sie den Einfluss der sozialen Herkunft in den deutschen Bundesländern.

Das für uns Praktiker so wichtige Ergebnis:

Bei einer strikten Differenzierung gibt es keine Verstärkung der Effekte der sozialen Herkunft, wohl aber eine Zunahme der Leistungen in der Sekundarstufe, speziell in der Kombination mit einer homogeneren Zusammensetzung der Schulklassen nach den kognitiven Fähigkeiten der Schüler. Das gilt gerade für die Kinder in den Schulklassen der unteren Bildungswege mit geringerem Leistungsniveau. Negative Herkunftseffekte nehmen bei einer möglichst eng mit den Fähigkeiten und Leistungen verbundenen Sortierung nicht zu, sie schwächen sich eher ab! Trotzdem hielt sich nach PISA 2000 lange die nie wissenschaftlich belegte Behauptung, dass das gegliederte Schulsystem für Bildungsungerechtigkeit sorge.

Lesenswert dazu unser Artikel im Realist_2021_02 von Prof. Konrad Fees 'Der notwendige Abschied vom Mythos'

Das bedeutet in der Praxis:

Das strikte Differenzieren nach Leistung (verbindliche Grundschulempfehlung) und profilierte Schularten im gegliederten Schulsystem erlauben eine stärkere Fokussierung des Unterrichts, mit allen Vorteilen, die damit verbunden sind. Das führt insgesamt zu besseren Leistungen.

Von der strikten Differenzierung profitieren alle, aber insbesondere (anders als oft behauptet und nie bewiesen) die leistungsschwächeren Kinder in den unteren Bildungswegen. Eine liberal geregelte oder nachlässig implementierte Differenzierung hat hingegen für sie geradezu 'desaströse' Folgen! Genau dies wird in einigen Bundesländern bereits durch IQB dokumentiert und bestätigt.

Glücklicherweise war Prof. Esser bereits am Vorabend angereist, so dass schon vorweg Zeit für einen in vielfältiger Hinsicht bereichernden Austausch war. Keinerlei 'Berührungsängste' zwischen Wissenschaft und Praxis gab es auch während seines fesselnden Vortrags (in den er immer auch Ergebnisse anderer aktueller Studien einfließen ließ) und der anschließenden Diskussion. Das war sicherlich auch dem sympathisch geerdeten Redner geschuldet! Wissenschaft aus dem 'Elfenbeinturm' ist nicht Professor Essers Ding!

Deutlich drängten sich dem Publikum die Bezüge der Studie zur schulischen Realität gerade auch in den drei am Süddeutschen Realschultag beteiligten Bundesländern auf.

Eine Politik, die sich dieser seriösen Wissenschaftlichkeit verschließt und nicht die nötigen Konsequenzen daraus zieht, stellt ideologisch motiviert Parteienwohl über Kindeswohl. Schulischen Missständen gehen immer Missstände in der Bildungspolitik voran.

Herzlichen Dank, Professor Hartmut Esser!